Kürzlich tauschten meine Arbeitskollegin Alia und ich für einen Tag das Büro gegen den Zürcher Hauptbahnhof und die umliegenden Stadtbahnhöfe. Während acht Stunden begleiteten wir die Transportpolizisten Mario und Cyrill bei ihrem Dienst.
Hallo erstmal.
Es ist kurz vor halb drei am Nachmittag und wir stehen wir vor dem Stützpunkt der Transportpolizei. Es ist einer der letzten warmen Oktober-Tage.
14:27. Wir können nicht mehr warten und klingeln beim Polizeiposten. Noch ein letztes Mal tief durchatmen und schon öffnet uns Gruppenchef Mario die Türe. Nach einer kurzen Begrüssungsrunde klärt uns Mario über unseren heutigen Einsatz auf und sagt uns klar, dass wir in unangenehme oder sogar gefährliche Situationen geraten könnten. Wir sollen in solchen Momenten selbst entscheiden, ob wir uns abwenden wollen.
Unterwegs ohne gültiges Billett.
Aviciis Song «Level» in voller Lautstärke reisst uns aus unseren ernsten Gedanken. Es ist Marios Diensthandy. Für einen ersten Einsatz verlassen wir den Stützpunkt in Richtung Gleis 43/44. Zwei weitere Transportpolizisten begleiten uns. Mario erklärt uns, dass eine Person ohne Fahrausweis unterwegs sei, die ihre Adresse nicht bekanntgeben wolle.
Die S-Bahn ist bereits eingefahren und die Passagiere ausgestiegen. Etwas weiter hinten erwarten uns vier Zugbegleiter und eine verwirrte Reisende. Unsere zwei Begleiter nehmen sich der Sache an, denn eine Zugbegleiterin einer anderen S-Bahn bittet Mario um Hilfe. Ein junger Herr war ebenfalls ohne Ticket unterwegs und gibt seine Adresse nicht bekannt. Mario zückt sein iPhone und bittet seinen Kollegen Cyrill um Verstärkung. Mario ruft die Zentrale an und fragt, ob der Herr bereits bekannt ist. Da der Reisende nicht in der Schweiz wohnhaft ist und sich weigert seine Adresse anzugeben, muss er mit auf den Posten.
Mario und Cyrill nehmen ihn in die Mitte und gehen los. Der junge Mann hat seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Cyrill bittet ihn, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Als er sich weigert wird Cyrill etwas bestimmter und sogleich nimmt der Mann seine Hände aus der Tasche. Wir eilen den drei hinterher. Wir betreten den grossen dunklen Lift und fahren einige unheimliche Sekunden. Danach steigen wir in einem Zwischengeschoss aus und Cyrill und Mario führen uns durch das unterirdische Labyrinth des Bahnhofs Zürich. Mario durchsucht den jungen Mann im Verhörzimmer des Polizeipostens und Cyrill sitzt am Schreibtisch und kontrolliert seine Reisedokumente.
Nach einigem Hin und Her rückt der junge Mann dann doch noch seine Adresse raus. Er wohnt bei seiner Mutter. Da es ihm anscheinend peinlich ist, dass er einen Brief mit der Rechnung für sein Fehlverhalten bekommen wird, fragt er, ob er die Busse nicht am Montag bezahlen könne. Kann er nicht. Er muss gleich bezahlen. Cyrill sitzt mit uns im Nebenraum und verwirft die Hände. Die ganze Arbeit umsonst. Ah nein, doch nicht, der Herr entscheidet sich wieder um und will sich die Rechnung nun doch nach Hause schicken lassen und verlässt danach den Verhörraum. Cyrill empfiehlt ihm, das nächste Mal doch ein Ticket zu lösen. Wir nutzen die Chance und fragen Mario, ob es schon mal eine brenzlige Situation gegeben habe. Er erzählt: «In den sieben Jahren an der Front gab es schon ein paar kritische Situationen. Bei einer Festnahme bin ich mit viel Schwung kopfüber die Treppe hinunter gestürzt und brach mir dabei zwei Finger. Dann gab es da noch einen Einsatz als ich eine Meldung bezüglich einer Schlägerei erhielt und dann mit gerade mal 4 Mann von ca. 200 vermummten Fussballfans empfangen wurde. Diese hatten jedoch glücklicherweise andere Interessen.»
Wir atmen kurz tief durch, da kommen schon die beiden anderen Kollegen der Transportpolizei zur Tür rein. Die verwirrte Frau sei nicht zum ersten Mal ohne gültiges Billett unterwegs gewesen. Für weitere Informationen bleibt keine Zeit.
Der «scharfe Egge»
15:35. Mario nimmt uns mit zum «scharfe Egge», da wir uns dort mit Cyrill treffen wollen. Er habe den Autoschlüssel. Wir laufen bei den Kurzzeit-Parkplätzen durch. Ein schwarzes Auto steht auf dem Behindertenparkplatz. Mario bittet den Autofahrer, seinen Wagen an einem anderen Ort abzustellen. Der «scharfe Egge» ist an der Spitze des Hauptbahnhofes, in der Nähe des Kurzparkings. Auf dem Weg dorthin wird Mario von einer Passantin nach dem Paradeplatz gefragt. Er sagt ihr, sie soll ihm folgen, da er ihr so besser den Weg zum Paradeplatz zeigen könne. Der Transportpolizist beweist sich auch als kompetenter Fremdenführer.
Da Cyrill noch nicht aufgetaucht ist, drehen wir eine kurze Runde um den Bahnhof. Auf unserer Tour fragen wir Mario, warum er Polizist werden wollte: „Es war schon immer mein Traum als Polizist zu arbeiten. Die Aufgaben und die Arbeit der Transportpolizei interessieren mich sehr. Es ist ein sehr abwechslungsreicher und spannender Beruf. Wir erleben jeden Tag etwas Neues und lernen viel dazu. Ein anderer Grund ist die Arbeit und der Kontakt mit Menschen aus verschiedenen Ländern, mit all den verschiedenen Kulturen, Religionen und Sprachen. Zudem habe ich bei der Transportpolizei die Möglichkeit in der ganzen Schweiz Einsätze zu absolvieren“.
Wir steuern das Perron 18 an. «Dort hinter dem Lift werden manchmal Drogen konsumiert», erzählt Mario weiter.
Beni und Bono.
Wir nähern uns dem Lift, doch dort ist niemand. Zurück beim «scharfen Egge» ist Cyrill immer noch nicht da. Dafür wartet jetzt vor dem Polizeiauto Beni mit seinem Hund Bono. Beni trägt keine Polizeiuniform, da er heute «in zivil» unterwegs ist. Nach unserer Begrüssung bringt Beni seinen Polizeihund runter auf den Posten, dort wird er in einem Hundezwinger untergebracht. Für Bono sei es zu den Hauptverkehrszeiten im Bahnhof zu stressig. Die Transportpolizei arbeitet eng mit der Stadtpolizei zusammen. Vor allem bei besonderen Anlässen, wie bei einem Fussballspiel, ist die gegenseitige Unterstützung wichtig.
Wartsaal-Räumung.
Beni kommt ohne Bono zurück. Wir steigen zu fünft in das Polizeiauto ein und fahren los. Unser Ziel ist der Stadtbahnhof Stadelhofen. Mario hat vor, dort einen Wartesaal zu räumen, in dem Randständige Unterschlupf finden. Ein paar Lichtsignale und viel Verkehr später parkieren wir vor dem Bahnhof. Beni steigt zuerst aus und dreht in zivil eine Runde im Park oberhalb des Bahnhofs. Wir gehen mit Cyril und Mario direkt in den Wartsaal. Doch heute ist das Wetter so schön, dass sich niemand darin aufhält.
So verlassen wir den Wartsaal auf der anderen Seite des Bahnhofs. Auf dem Boden sitzt ein Mann mit einem Bier in der Hand. Mario und Cyrill kontrollieren ihn. Der Mann fragt, ob er denn so kriminell aussehe und erzählt uns, dass seine letzten Straftaten 30 Jahre zurück lägen. Er sei mal ohne Ausweis Auto gefahren… Weiter geht’s zu Fuss um den Bahnhof. Oben auf der Brücke fällt Mario auf, dass ein «alter Bekannter» im Bahnhof sein Unwesen treibt. Sofort begeben wir uns wieder auf Bahnhofsebene und suchen ihn. Leider finden wir ihn nicht mehr.
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Beim Auto treffen wir wieder auf Beni. Auch ihm ist nichts aufgefallen. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr beschliessen die Polizisten trotz des dichten Feierabendverkehrs beim Bahnhof Stettbach vorbeizufahren.
Fotoshooting in Stettbach.
17:00. Wir steigen beim Bahnhof Stettbach aus dem Auto. Beni dreht erneut seine Runde in zivil. Der Rest des Teams ist durstig und holt sich darum etwas Flüssiges. Beni ist noch immer auf seiner Tour rund um den Bahnhof. Wir steigen ins Auto und fahren entlang der Gleise um abzuklären, ob sich dort jemand aufhält. Negativ. Also fahren wir zurück zum Bahnhof. Noch scheint die Sonne und wir schiessen ein paar Fotos von Cyrill und Mario. Beni will nicht aufs Bild. Da er meist in zivil unterwegs ist, will er nicht erkannt werden. Wir kommen uns kurzzeitig wie Touristen vor, denn wir bemerken die fragenden Blicke der Passanten. Unsere Bilder sind im Kasten und weiter geht es. Mittlerweile hat uns der Polizeialltag richtig gepackt.
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Kontrolle in der S-Bahn.
17:30. «Jetzt geht es nach Oerlikon», erklärt uns Mario, während wir uns ins Auto setzen. Um halb 6 ist dort der Teufel los, Rushhour. Alle wollen nach Hause oder ins wohlverdiente Feierabendbier. Wir kontrollieren kurz die WC und den Wartesaal. Doch auch hier ist alles in Ordnung. Cyrill schnappt sich das Auto und fährt zurück zum Polizeiposten. Gemeinsam mit Mario und Beni nehmen wir die S-Bahn zurück zum HB. Wir folgen Mario durch den Zug. Es ist nicht ganz einfach das Gleichgewicht zu halten. Fünf Minuten später stehen wir im neuen Bahnhof Löwenstrasse. Was steht als nächstes auf dem Plan? Abendessen.
Auf dem Polizeiposten sitzt Beni schon gemütlich am Tisch und isst seine selbstgemachte Pizza. Wir setzen uns dazu. Die anderen Polizisten sind ebenfalls beim Abendessen. Gegessen wird, was der Bahnhof so hergibt.
Der zivile Polizist.
18:45. Gestärkt verlassen wir den Polizeiposten und drehen erneut eine Runde durch den ganzen Hauptbahnhof. Dieses Mal begleiten wir Beni. Wir sind die perfekte Tarnung für ihn. Erneut besuchen wir den Lift beim Gleis 18. Negativ. Am Treffpunkt sehen wir Cyrill und Mario wieder. Uns fällt auf, dass die Polizisten häufig von Passanten angesprochen und um Wegbeschreibungen oder Informationen zum Bahnhof gebeten werden.
18:56. Bei der hinteren Bahnhofsunterführung halten unsere beiden Polizisten zwei junge Männer an und kontrollieren deren Ausweise. Wieder werden die Personalien mit der Zentrale abgeglichen. Die beiden sind unbescholten und bekommen ihre Ausweise zurück. Wir fragen, warum genau diese zwei Männer kontrolliert wurden. Mario erklärt uns, dass sie dem Schema des typischen Taschendiebes entsprächen und darum kontrolliert wurden.
Das Trainingscenter der Transportpolizei.
19:34. Cyrill fährt uns wieder zum Bahnhof Stadelhofen und parkiert etwas oberhalb, direkt vor dem Trainingscenter. Wir treten ein und Cyrill erklärt uns die verschiedenen Munitionstypen. Im Trainingsraum fordert uns Mario zum Kampf auf. Als wir ihn mit dem Plastikschlagstock zu schlagen versuchen, zeigt er uns, wie er sich verteidigt.
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Nichts los in Altstetten.
20:56. Weiter geht’s zum nächsten Stadtbahnhof. Cyrill fährt uns nach Altstetten. Hier waren wir heute noch nicht.
Nach einer kurzen Runde durch den Bahnhof setzen wir uns wieder ins Auto. Mario will uns noch etwas zeigen, bevor wir unseren Einsatz beenden. Doch die Zentrale meldet erneut jemanden mit ungültigem Billett, der seine Adresse nicht rausrücken möchte.
Die Frau ohne Hosen.
21:15. Wir stellen das Auto beim «scharfen Eggen» ab und machen uns auf den Weg zum Gleis 9. Bei der ersten Bank auf dem Perron sitzt eine Frau. Sie hat die Hosen unten und verrichtet dort gerade ihr Geschäft. Zum Glück sind zwei weitere Kollegen gleich zur Stelle und nehmen sich der Frau an.
Der Mann mit dem gültigen Ticket.
21:23. Der Zug fährt auf Gleis 9 ein. Mario rennt los. Cyrill, Beni, Bono (der Polizeihund) und wir laufen hinterher. Der Mann steigt aus. Er ist aufgeregt. Er habe Krebs und sei eben in Davos zur Untersuchung gewesen. Er sei selbst Arzt. Mario kontrolliert den Ausweis und das Billett und kann keine Fehler feststellen. Der Ausweis gehört dem Mann und das Billett sei auch gültig. Mario und Cyrill entschuldigen sich beim dem Mann für die Unannehmlichkeit und empfehlen ihm, er solle beim Inkassocenter der SBB anrufen und erzählen, was passiert sei.
Wir laufen zurück zum Polizeiposten. Mario fragt uns unterwegs, ob wir noch ein Foto von ihm und Cyrill machen können. Es sei heute ihr letzter gemeinsamer Dienst gewesen. Cyrill wechsle Ende Monat zur Gemeindepolizei.
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Zurück auf dem Posten holt Mario eine kleine Überraschung für Cyrill aus seinem Büro. Stolz überreicht er ihm eine Collage mit Cyrills besten Momenten bei der Transportpolizei. «Knips», und auch dieser Moment ist für die Ewigkeit festgehalten.
21:40. Unser Dienst ist zu Ende. Wir bedanken und verabschieden uns von allen. Beni und Bono kommen mit uns auf den Zug und begleiten uns noch bis nach Olten.
Du interessierst dich für den Polizeiberuf? Schau dir die Doku über die Polizeischule Hitzkirch an.
Mario absolviert nach der Schule eine 3-Jährige Lehre als Sanitär-Monteur. Leistete anschliessend seinen Militärdienst und arbeitete noch zwei Jahre auf dem erlernten Beruf. Im Jahr 2007 absolvierte er die Interkantonale Polizeischule in Hitzkirch und arbeitet nun seit gut 7 Jahren bei der Transportpolizei.
Nach seiner dreijährigen Lehre als Automechaniker absolvierte Cyrill seinen Militärdienst. Anschliessend machte er einen Abstecher zu den Securitas und in die Jugendarbeit bevor er dann zur Polizei wechselte. Mittlerweile arbeitet Cyrill bei der Gemeindepolizei in Regensdorf.
Die Vielfalt der verschiedenen Berufe bei der SBB könnte grösser nicht sein: Ob Gleisbauerin, Transportpolizist, Lokführerin oder Zugverkehrsleiter – wir begleiten Mitarbeitende der SBB und wagen somit
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